Diskussion oder Meinungsstreit?

Ich bin mir bzgl. dieses Posts ziemlich unsicher, ob es gut ist, ihn zu schreiben und zu veröffentlichen oder es lieber doch sein zu lassen, da es eigentlich schon viel beschrieben worden ist. Es geht um das Thema „Diskussionen (im Internet)“. Ein Ereignis, eine (persönliche) Bemerkung löst eine Diskussion aus und führt zu teilweise heftigen Reaktionen in den verschiedenen Social Media Bereichen (Twitter, Blogs, Communities). Aktuell beispielsweise bei „Ich mach was mit Büchern“: hier gibt es eine Interviewreihe, in der auf vier standardisierte Fragen jeder, der sich in Verbindung mit Büchern sieht, antworten kann. Nun wurde die Frage aufgeworfen, ob Interviews von Neuautoren lesenswert sind, ob es ein Übergewicht dieser Gruppe besteht. Auslöser war eine persönliche Aussage von Andreas Selling auf Facebook. Die Diskussion, die darauf entbrannte, war für mich der Anlaß, meine Beobachtungen zu solchen Meinungsaustauschen zu formulieren.

Wie entwickelt sich solch ein Meinungsstreit? Ist es eine Diskussion?

1.) Eine bestimmte Äußerung von A regt B zu einer, oftmals stark persönlich angehauchten Bemerkung, die „zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort“ eine Diskussion auslöst.

2.) C, D…. kommen dazu und geben ihre eigenen Meinungen wieder. An dieser Stelle entscheidet es sich, ob es eine Diskussion wird oder ein Meinungsstreit.

3.) Was unterscheidet die Diskussion vom Meinungsstreit? Im ersteren überwiegen Sachargumente, zuhören, eingehen auf den anderen, argumentieren, Zurückhaltung mit persönlich-beleidigenden Aussagen und dennoch Kennzeichnung der Standpunkte der einzelnen Diskussionsmitglieder. Natürlich würzen rhetorische Mittel die Diskussion, macht sie interessanter, regt an. Dabei ist es im Prinzip unerheblich einen Konsens zu erreichen, sondern der Austausch steht im Vordergrund. Wichtig: es gibt Grenzen, die die Höflichkeit im Umgang mit anderen Menschen vorgibt. Gute, befruchtende Diskussionen findet man selten. Und warum?

4.) Weil es nicht zu einer Diskussion, sondern zum Meinungsstreit kommt. Was unterscheidet ihn von der Diskussion? Recht schnell kommt eine persönliche Ebene ins Spiel, nicht die Argumente zählen, sondern die empfundene Verletzung/Brüskierung der eigenen Persönlichkeit. Es wird weniger zugehört, weniger den Argumenten der Gegenseite Platz in den eigenen Gedanken gelassen, um abzuwägen oder doch zum eigenen Standpunkt zurückzukehren. Es entsteht oft eine Gruppendynamik: es zählt eine bestimmte Meinung, andere werden kaum oder gar nicht mehr zugelassen. Diese Auseinandersetzungen befruchten wenig, bringen selten neuen Ideen. Ein schaler Beigeschmack bleibt.

Es ist nicht einfach, einen eigenen Standpunkt so zu vertreten, daß dem Gegenüber Raum bleibt. Gründe für das Scheitern von Diskussionen ist fehlendes Hintergrundwissen um den Diskussionsgegenstand und das Respektieren – vor dem Thema, den Diskussionspartnern und vor sich selbst. Nein, es geht mir dabei nicht um Verwischen, um einen zuckersüßen Brei, der am Ende herauskommt. Gerne darf scharf der Disput geführt werden, aber die Grenzen von Höflichkeit und Anstand müssen gewahrt bleiben. Leider fehlt das oft in den Austauschen. Ist das nun ein Phänomen des Internets? Zeigt es sich hier deutlicher? Ich denke nicht, auch wenn der direkte, unmittelbare, körperliche Kontakt fehlt. Wohl jeder hat schon eine Auseinandersetzung erlebt, die erst noch eine Diskussion war und schnell aufgrund aufkochender Emotionen sich zu einem Meinungsstreit entwickelte. Nur bleiben solche weniger einprägsam, da oft mündlich. Internet ist eben auch schriftlich, was bleibt. Persönlich halte ich mich aus Meinungsstreitereien heraus, einfach weil es zu schnell zu persönlichen Angriffen mutiert. Disputieren gerne, auch scharf, aber nicht die Grenzen dabei überschreiten!

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